krebsliga_aargaukrebsliga_baselkrebsliga_bernkrebsliga_bern_dekrebsliga_bern_frkrebsliga_freiburgkrebsliga_freiburg_dekrebsliga_freiburg_frkrebsliga_genfkrebsliga_genf_newkrebsliga_genf_new_mobilekrebsliga_glaruskrebsliga_graubuendenkrebsliga_jurakrebsliga_liechtensteinkrebsliga_neuenburgkrebsliga_ostschweizkrebsliga_schaffhausenkrebsliga_schweiz_dekrebsliga_schweiz_fr_einzeiligkrebsliga_schweiz_frkrebsliga_schweiz_itkrebsliga_solothurnkrebsliga_stgallen_appenzellkrebsliga_tessinkrebsliga_thurgaukrebsliga_waadtkrebsliga_wallis_dekrebsliga_wallis_frkrebsliga_zentralschweizkrebsliga_zuerichkrebsliga_zug
Krebsliga BernAktuellFamilien im Fokus
News

Familien im Fokus

10. Dezember 2025

Rund 10% der Krebspatienten:innen haben Kinder unter 18 Jahren. Die Krebserkrankung eines Elternteils ist für Kinder sehr belastend und kann verschiedenste Gefühle auslösen. Der Alltag ändert sich und die Mutter oder der Vater ist nicht mehr in gleicher Weise präsent. Kinder fragen sich auch oft, ob sie vielleicht «schuld» sind.

Catherine Etienne und Irene Hugi

Dass Kinder und Jugendliche bei der Erkrankung ihrer Eltern oder gar deren Tod, verunsichert, verängstigt, wütend oder traurig sind, ist normal. Es ist wichtig. sich Zeit für die Kinder zu nehmen, ihnen die Krankheit und mögliche Folgen je nach Alter spielerisch zu erklären, das Familiensystem zu stärken und bestehende Ressourcen zu aktivieren.

Eine Lücke im System
Es gibt im Kanton Bern keine Regelstrukturen, welche die Nöte von Kindern bei der Erkrankung oder dem Todesfall eines Elternteils abfedern. Hier springt die Krebsliga Bern (KLB) in eine Lücke: Auf Wunsch der Eltern und der Kinder besucht eine Familienbegleiterin die Kinder in ihrer gewohnten Umgebung zu Hause. Sie unterstützt und begleitet die Kinder und die Nahestehenden im Umgang und der Auseinandersetzung mit Krankheit, Tod und Abschiednehmen von Bezugspersonen. Verschiedene altersgerechte methodische Hilfsmittel, wie Malen, Collagen, Spiele, Handpuppen, Holzfiguren, Bücher, «Therapiewürfel» (für Fragen), ermöglichen den Zugang zum Kind. Es werden Bedingungen geschaffen, die es dem Kind ermöglichen, einen Umgang mit der Erkrankung des Familienmitglieds und seinen Gefühlen zu finden. Das Kind erlebt wichtige Momente der Entlastung und der Sicherheit.

«Kinder brauchen Raum für ihre Gefühle»

Zwei Familienbegleiterinnen erzählen von ihrer Arbeit mit Kindern krebskranker Eltern:

Irene, du begleitest Familien schon seit 13 Jahren. Was macht dir an deiner Arbeit besonders Freude?
Ich arbeite sehr gerne mit Kindern. Es fasziniert mich immer wieder, ihre Stärken zu entdecken und sie zu unterstützen, trotz der schwierigen Situation Kraft zu finden. Gleichzeitig berührt mich das Thema persönlich – ich kenne viele Menschen, die an Krebs erkrankt oder verstorben sind.

Catherine, du bist erst seit Kurzem dabei und hast bisher vier Familien begleitet. Was hat dich an dieser Aufgabe gereizt?
Ich bin eigentlich ausgebildete Familienbegleiterin, aber an meiner jetzigen Arbeitsstelle komme ich heute selten direkt in Familien. Darum hat mich diese Aufgabe sofort angesprochen. Es ist unglaublich berührend zu erleben, wie offen viele Familien mit dem Thema umgehen – trotz aller Schwere.
Die Kinder sind manchmal sehr gesprächig, manchmal eher still. Wichtig ist, zu spüren, wann der richtige Moment da ist. Wenn Kinder oder Eltern merken, dass sie nicht allein sind, geschieht ganz viel. Ich kann ihnen Werkzeuge mitgeben, um schwierige Gespräche zu führen und ihre eigene Stärke zu spüren.

«Es braucht am Anfang Zeit für den Aufbau des Vertrauens»

Wie läuft ein erstes Treffen mit einer Familie ab?
Irene:
Beim ersten Besuch geht es ums Kennenlernen. Ich spiele mit den Kindern, frage nach ihrem Lieblingsessen, nutze Handpuppen und Bücher– je nach Alter. Beim zweiten Treffen weiss ich schon mehr über die Situation und kann einschätzen, was möglich ist.
Ich bringe oft Bücher oder Spiele mit, die Gefühle zum Thema machen. Ich bereite mich auf mögliche Situationen vor – und muss doch oft spontan reagieren. Jedes Kind ist anders, jedes Treffen einzigartig.

Sprecht ihr mit den Kindern über Krankheit und Tod?
Irene: 
Über das Sterben rede ich nur, wenn das Kind selbst darüber sprechen möchte oder mich die Eltern darum bitten. Die Krankheit kommt aber immer zur Sprache – etwa wenn wir ein Buch anschauen, in dem ein Mensch oder Tier krank ist und Gefühle angesprochen werden. Ich frage dann, wie es sich anfühlt, dass Mama oder Papa krank ist. Mit kleineren Kindern spiele ich manchmal Szenen, und wenn ein Tier darin stirbt, entsteht ganz natürlich ein Gespräch darüber.

Catherine: Ich habe Familien in palliativen Situationen begleitet. Da ist mir wichtig, schon vor dem ersten Treffen zu erfahren, was die Kinder wissen. Ich will sie dort abholen, wo sie stehen. Mit älteren Kindern spreche ich über das, was ihnen guttut: Was hilft dir, wenn du traurig bist? Was macht dir Freude? Und wenn Worte fehlen, nutzen wir Bücher, Spiele oder einfache Symbole – etwa einen Kreis aus Schnur, wo wir uns festhalten. Wenn jemand loslässt, also nicht mehr mithelfen kann das System «zu tragen», verändert sich der Kreis. Ganz zentral ist für mich, auch die Eltern einzubeziehen. Sie leben mit der Situation rund um die Uhr. Wenn sie einen guten Weg finden, wirkt sich das direkt auf die Kinder aus.

Öffnen sich die Kinder mit der Zeit?
Irene: Ja, unbedingt – aber es braucht Vertrauen. Anfangs sind sie oft zurückhaltend. Irgendwann beginnen sie, über ihre Gefühle zu sprechen: Wut, Trauer, Angst. Ich bestärke sie darin, dass all diese Gefühle in Ordnung sind. Niemand ist schuld an einer Krankheit.
Unsere Präsenz allein schafft oft schon Erleichterung. Die Kinder merken: Es darf über die Krankheit gesprochen werden. Ich erkläre ihnen auch, dass Eltern manchmal traurig oder gereizt sind, weil sie erschöpft sind – nicht, weil sie ihre Kinder weniger lieben. Diese Bestätigung brauchen sie sehr.

Wie gelingt der Umgang mit Geschwistern unterschiedlichen Alters?
Catherine
: Mit ganz kleinen Kindern arbeite ich über Beobachtung und berate vor allem die Eltern.

Irene: Ich begleite gerade eine Familie mit einem Dreijährigen und einem Achtjährigen – das ist herausfordernd. Die Kleinen spüren die Unsicherheit stark, können sie aber noch nicht einordnen. Ich nehme mir dann gezielt Zeit nur für das jüngere Kind, lese etwa ein Buch über ein krankes Tier. Es versteht noch nicht alles, aber spürt ganz viel. Die kleinen Kinder sind oft sehr anhänglich. Sie brauchen Geborgenheit und ganz klare Strukturen.

«Wir entlasten das Familiensystem»

Wie unterstützt ihr die Eltern?
Irene: Ich sehe mich nicht als «Kinderhüterin», aber ich entlaste die Eltern. Sie wissen: Während meiner Zeit mit den Kindern dürfen sie kurz durchatmen. Ich arbeite mit den Kindern am Thema und versuche, sie zu stärken. So versuche ich das ganze Familiensystem zu entlasten.

Catherine: Durch die Auseinandersetzung mit den Kindern sehe ich, wo sie stehen. Das hilft mir auch die Eltern zu coachen. Ich bestärke und benenne, was die Eltern gut machen. In solch anspruchsvollen Situationen fühlen sich Eltern oft verunsichert, daher ist das Hervorheben und Bewusstmachen der Ressourcen meist stabilisierend. Ich gebe den Eltern konkrete Ideen mit, wie sie Gespräche anstossen oder Gefühle auffangen können. Wenn Eltern offen mit ihren Emotionen umgehen, hilft und stärkt das die Kinder in der Regel automatisch.

Was macht ihr, wenn Kinder Angst haben?
Irene: Ich nehme die Angst ernst. Wir reden darüber, wie sie aussieht, welche Farbe sie hat. Und ich frage: Gibt es in dieser Angst auch Hoffnung? Etwa, dass Mama gute Ärztinnen hat.
Ich habe auch schon mit den Kindern Schwerter gebastelt, mit denen wir symbolisch gegen den «Krebs» kämpfen. Das hilft, Wut und Ohnmacht auszudrücken – und öffnet das Gespräch.

Catherine: Angst ist völlig normal. Wir suchen gemeinsam nach Dingen, die sie kleiner machen – oder erträglicher. Schon nur unsere Anwesenheit verändert etwas. Das Kind fühlt sich in seinen Gefühlen ernst genommen. Auch wenn es sich noch nicht öffnet und nur «legölen» will.

«Wir prügeln auch schon mal mit Schwertern auf den Krebs ein.»

Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit der Krebsliga Bern?
Irene: Ich begleite in erster Linie das Kind, aber wenn ich merke, dass das Kind oder die Eltern mehr oder andere Unterstützung brauchen, gebe ich das an die Fachpersonen der Krebsliga Bern weiter. Alles, was mir Kinder anvertrauen, bleibt aber vertraulich.

Welche Familien profitieren besonders von der Begleitung?
Irene: Oft nehmen Familien das Angebot an, die bereits offen über Gefühle sprechen. Ich wünsche mir, dass wir auch jene erreichen, die das noch nicht können.

Catherine: Vielleicht braucht es ergänzend Angebote, die stärker auf Entlastung und gemeinsames Erleben setzen – Spielen, Malen, Bewegen. Aber auch hier ist es, dass die Eltern bereit sind, sich auf das Thema einzulassen.

(Anmerkung: Palliativ Bern und die Krebsliga Bern planen gemeinsam mit der Psychoonkologie des Inselspitals verschiedene Angebote für Kinder schwerkranker Eltern. Die Finanzierung ist derzeit noch offen.)

Danke, Irene und Catherine, für eure berührenden Einblicke in eine so wichtige Arbeit!
 

Irene Hugi ist pensioniert und war ihr ganzes Leben passionierte Kindergärtnerin. Die Arbeit bei der Krebsliga Bern ist ihr eine Herzensangelegenheit. Sie arbeitet nun seit 2012 als Familienbegleiterin.

Catherine Etienne ist Sozialpädagogin und arbeitet seit vielen Jahren mit Familien, Jugendlichen und Kindern. Die eigenen Kinder sind mittlerweile erwachsen und deshalb hat sie diese zusätzliche Aufgabe neben ihrer Arbeit bei der Familienbegleitung Luzern gereizt. Sie ist seit diesem Sommer bei der Krebsliga Bern.

 

Dieses wichtige Angebot ist ausschliesslich über Spenden finanziert, vielen herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!